Familie als Erfolgsfaktor

„Dinner Table Human Capital“ oder „Esstisch-Humankapital“

Abgesehen davon, dass mir der Begriff „Humankapital“ nicht zusagt, kommen die beiden norwegischen Forscher Hans K. Hvide und Paul Oyer in ihrem Buch: „Dinner Table Human Capital and Entrepreneurship“ zu interessanten Ergebnissen, die Maja Brankovic in ihrem Artikel: „Macht es wie Papa!“ für die Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 20.5.2018 zusammengefasst hat. Die Wissenschaftler sind der Frage nachgegangen, ob es für künftige Unternehmer von Vorteil ist, wenn sie in einem Unternehmerhaushalt großgeworden sind. Drei Vorteile fanden sie heraus, wenn Söhne in die Fußstapfen ihrer Väter treten.

  1. Ihre Geschäftsergebnisse sind deutlich besser als die von Branchenfremden gegründeten Unternehmen
  2. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Unternehmen vier Jahre nach der Gründung noch bestehen, ist höher.
  3. Ihre Betriebe steigen, gemessen an der Zahl der Mitarbeiter, innerhalb der ersten vier Jahre ihres Bestehens doppelt so häufig an … „wie der Rest.“

Und Hvide und Oyer konnten ebenfalls nachweisen, dass es keinen Zusammenhang mit hoher Intelligenz und erfolgreichem Unternehmertum in der Nachfolge gibt. Intelligente Kinder tendieren jedoch eher dazu, nicht in die Nachfolge einzusteigen, sondern eigene Wege zu gehen. Dafür ließ sich auch für die Kinder von Angestellten nachweisen, dass es sich lohnt, in derselben Branche wie der Vater einen Job zu suchen.

Meines Erachtens haben es Kinder aus Unternehmerfamilien leichter, sich mit Führungsverantwortung zu identifizieren, Risikobereitschaft zu entwickeln und ein sehr hohe Leistungsbereitschaft aufzubringen, wie ich in zahlreichen Therapien und Begegnungen erfahren konnte. Sie setzen sich viel weniger mit Ambivalenzen bzgl. Ihres Rollenverständnisses auseinander. Sie erleben die Gestaltungsmöglichkeiten als Freiheit, die sie nicht missen möchten. Die Verführung, allzu einseitig den Fokus auf das Unternehmerische zu legen und Beziehungsbedürfnisse weniger in den Vordergrund zu rücken ist allerdings auch sehr groß.

Früh werden sie quasi „am Esstisch“ konfrontiert mit

  1. Notwendigkeiten der Umsetzung von Gestaltungsbedürfnissen,
  2. den daraus zwingend sich ableitenden langfristigen Konsequenzen für das eigene Handeln,
  3. den stets unwegsamen Risiken und Querschlägern im Geschäftsalltag sowie hohem Anpassungsdruck,
  4. den Anforderungen im Hier und Jetzt stets mit festem Blick auf das große Ganze gerecht werden zu müssen.

Doch wie läuft das im Mikrokosmos der Familie ab?

Nicht umsonst heißt es: Hinter einem starken Mann steht eine starke Frau. Und heute muss es auch lauten: Hinter einer starken Frau steht ein starker Mann. Der- oder diejenige, die tagtäglich in der Interaktion mit den Kindern steht, trägt die Hauptlast der Beziehungsgestaltung mit den Kindern. Sie/er muss Konflikte und Probleme der Kinder bzw. mit ihnen oft alleine lösen. Die personale Präsenz eines Vaters oder einer Mutter als Unternehmer ist in der Familie nicht gewährleistet. Insbesondere in Phasen der Krise im Geschäft oder des Durchstartens gibt es keinen gesicherten Arbeitsschluss. So wird das Unternehmen zum erweiterten (Er-)Lebensraum des Kindes. Und wenn er als Ehemann oder Vater bzw. sie als Ehefrau und Mutter zu Hause ist, bestimmen die Gesprächsthemen vielfach notwendige Rücksichtnahme auf seine/ihre Überlastung im Betrieb oder Diskussionen in der Familie um seine/ihre Abwesenheit, wenn er/sie gebraucht worden wäre, aber nicht da war. Emotionale Präsenz gelingt vielen Vätern auch nicht, selbst wenn sie einmal zu Hause sind, weil sie ihre Arbeitsthemen  mit nach Hause und an den Esstisch nehmen. Frauen scheint es besser zu gelingen, ihrer Mutter-Rolle gerecht zu werden, auch wenn ihnen dies einen kraftraubenden, im Einzelfall Energie verzehrenden und überfordernden Spagat abverlangt.
So erwächst eine permanente Infizierung des familiären Alltags. Der Spannungsbogen, der sich aufbaut zwischen dem Unternehmen Familie und dem (Familien-)unternehmen ist oft hoch energiegeladen: Permanent sind unvorhergesehene Krisen zu bewältigen. Die Partnerschaft zwischen Mann und Frau wird hierdurch in besonderem Maße herausgefordert. Kommen dann noch im Unternehmen existentielle Bedrohung oder gar Not, in der Familie Krankheit, Pflegebedürftigkeit oder gar Tod eines Angehörigen hinzu, kann das zu einer Überforderung des Systems Familie führen.

Kinder aus Unternehmerfamilien bilden in der Freizeit oft eine eigene Peergroup. Sie diskutieren, was sie anders als ihre Väter oder/und Mütter machen können, spinnen Zukunftsphantasien, die sich unterscheiden von den Lebensentwürfen ihrer Eltern, streben gemeinsam Ziele an oder tun sich mit eigenen Zielen hervor. Ihr Bezug sind die Gleichaltrigen und bzgl. ihrer Sozialisation Gleich“artigen“, und nicht selten bilden sich Freundschaften heraus, die zu lebenslangen fruchtbaren Kooperationen führen und emotionale Orientierung und Halt bedeuten.

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Veröffentlicht am: 19. Juni 2018

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